Gedenkstein für Flüchtlinge und Vertriebene

Gedenkstein für Flüchtlinge und Vertriebene


Sehr geehrte Gäste,


die Mitglieder der Sparte Chronik und Schrifttum im Heimatverein der Börde Sittensen e.V. begannen vor etwa drei Jahren, sich zunehmend intensiv mit dem Thema Flucht und Vertreibung auseinander zu setzen. Dazu holten wir zunächst nahe liegende Erkundigungen z. B. in Ottendorf und in Lüneburg ein, auf die unser Vorsitzender Wilhelm Gohde schon hingewiesen hat.

Wir kamen regelmäßig zu Sitzungen zusammen. Dabei wurde oft aus-giebig und gegensätzlich diskutiert. Schließlich einigten wir uns auf ein Konzept. Dieses wurde in der folgenden Planungsphase in allen Einzelheiten ausgearbeitet.

Dieser Gedenkstein „Flüchtlinge und Vertriebene“ ist ein Granitfindling - ca. 14 Tonnen schwer. Er wurde aus dem Süden Skandinaviens über zigtausende Jahre von Eiszeiten hierher nach Norddeutschland transportiert. Mit diesem Stein wollen wir Erinnerung wach halten:



  • Die Erinnerungskultur in Deutschland bedachte bisher vorwiegend das Leid, das Deutsche über andere brachten. Seit einigen Jahren wird mehr und mehr der Opfer gedacht, die bei Flucht und Vertreibung zum Teil Schreckliches erlebten.
  • Wir denken an das Schicksal, die Erlebnisse von alten Menschen, von Frauen und Kindern während Flucht und Vertreibung zum Ende und nach dem 2. Weltkrieg.
  • Wir wollen erinnern an Ostgebiete, in denen mehrheitlich Deutsche lebten, an deutsche Gruppensiedlungen oder Streusiedlungen auch außerhalb des ehemaligen Reichsgebietes.
  • Wir wollen daran erinnern, dass Menschen, unsere Mitmenschen, unsere Nächsten Hab und Gut, Haus und Hof verloren, dass sie über Jahre, Jahrzehnte, vielleicht sogar Jahrhunderte sich bildende Sozialbeziehungen aufgeben mussten. Verwandtschaften, Freundschaften, Nachbarschaften, Mitgliedschaften in Vereinen o. ä. brachen ab.
  • Hier drängen sich Gedanken auf an die Situation von Menschen, die auch in unseren Tagen in Folge von kriegerischen Auseinandersetzungen aus ihrer angestammten Heimat fliehen müssen, vertrieben oder zwangsumgesiedelt werden.
  • Wir wollen aber auch erinnern an Strapazen mit Hunger, Durst, Kälte und Krankheiten.
  • Wir wollen erinnern an die Verfolgung durch die Rote Armee, an Missachtung der Menschenwürde durch Verletzung, Vergewaltigung, Erschießung oder Ermordung.


Ungefähr 3000 bis 4000 unter den ca. 16 Millionen von Flucht und Vertreibung betroffenen Menschen kamen in der Zeit von Anfang 1944 bis Ende 1949 n die Dörfer der Börde Sittensen. Auf diese Weise nahm die Einwohnerzahl in manchen Dörfern um ein Drittel, manchmal sogar um mehr als 50% zu. Nur ein Beispiel von vielen möchte ich hier nennen: Allein am 08. März 1945 mussten in Ippensen 80 Personen zusätzlich mit Nahrung und Wohnraum versorgt werden. Das war sicher für alle Beteiligten nicht einfach!

Die Informationen auf diesem Gedenkstein können - durch die Struktur des Steines selbst bedingt - nur spärlich sein. Deshalb haben wir eine Infotafel mit wenigen, aber prägnanten Daten daneben gestellt. Für Betroffene und andere Interessierte, die mehr wissen möchten über die von mir angesprochenen Bereiche, stellen wir in unserer Heimatstube - hier in unserem Haus nebenan – zusätzliches, detailliertes Info-Material bereit. Das sind z. B. Karten, Bilder und Sachbücher. U. a. steht dort auch ein Original-Karren mit Original-Inhalt von damals.

Außerdem haben wir dort ein noch unvollständiges, zu ergänzendes Namenverzeichnis von Flüchtlingen und Vertriebenen - nach Dörfern aufgelistet - jeweils in Ordnern zusammengefasst. In diesem Verzeichnis erscheinen u. a. Namen, Geburtsort und letzter Wohnort vor Antritt der Flucht oder Vertreibung, ebenso die neue Anschrift hier im jeweiligen Dorf. Darüber hinaus gibt es einen Ordner mit etlichen Zeitzeugen-berichten. Diese vermitteln beispiel-haft tiefe Eindrücke von den drama-tischen Bedingungen, unter denen Flucht und Vertreibung erfolgten. Auf unserem Gedenkstein stellt eine stark vereinfachte Karte ohne politische Grenzen die Siedlungsgebiete dieser Menschen dar, die hier in der Börde vorübergehend Aufnahme oder für länger eine zweite Heimat fanden. Wir hätten gerne noch mehr Namen von Städten, Flüssen und Ostgebieten auf diesem Stein gesehen. Aber der Steinmetz gab zu bedenken: „Lässt der Stein sich das gefallen??“

Ich bin sicher, sehr geehrte Gäste, ich habe Sie neugierig gemacht; und deshalb wollen wir jetzt den Gedenkstein „Flüchtlinge und Vertriebene“ enthüllen.


un nu - kiekt Jo den Steen genau an!!

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